Massenpsychologie am Beispiel der Gruppendynamik – das Grundelement der „Politischen Korrektheit“ („Political Correctness“)

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Massenpsychologie am Beispiel der Gruppendynamik – das Grundelement der „Politischen Korrektheit“ („Political Correctness“)

Wenn es einen Sitz des Bösen gibt, dann ist es die Struktur des Gehirns bzw. sein Hang, die Gesetze der Gruppendynamik bzw. des Gruppenzwangs zur Anwendung zu bringen wie einen (psychischen) Reflex. Diese Gruppendynamik erzeugt einen massenpsychologischen Hebel in unserem Gehirn. Es handelt sich um einen massenpsychologisch wirksamen psychischen Kausalitätsmechanismus, der menschliches Leben leider dominiert und dies eben nicht zu unserem Guten, sondern eher zu unser aller Nachteil. Denn diese gruppendynamische Massenpsychologie erzeugt automatisiert das Potential, das diktatorische Verhältnisse und Gleichschaltung ermöglicht wie so oft in der Menschheitsgeschichte, was erklärt warum über Jahrtausende ungerechte Herrschaftsverhältnisse einer herrschenden Minderheit über eine Mehrheit Bestand haben konnten und nach wie vor in gesteigerter Form unseres modernen Feudal-Kapitalismus Bestand haben können. Es ist die Blutspur der Exzesse der Macht, wie wir sie in der Menschheitsgeschichte unzählbar aufreihen können, deren Ursachen hier im Bereich unserer massenpsychologischen Funktionalität zu suchen und zu finden sind.

Wenn es eine Schwäche zum Bösen gibt, ist es die psychische Schwäche und Angreifbarkeit des menschlichen Gehirns, sich in die Gesetze der Gruppendynamik innerhalb von real existenten oder er- bzw. gedachten Gruppen zu fügen. Diese Gesetze greifen automatisch und reflexartig, sofern bestimmte Faktoren anliegen. Niemand kann sich scheinbar dieser Fehlerbehaftetheit unseres Gehirns entziehen. Diese Fehlerbehaftetheit kommt immer wieder darin zum Ausdruck, dass die Mechanismen unendlich wiederholbar scheinen, wenn auch die Rahmenhandlungen und Inhalte, in die sie eingebettet sind, wechseln. Die Rationalität und Unverletzlichkeit unserer individuellen Psyche wird massiv überlagert, kompromittiert und relativiert durch die Gesetze massenpsychologischer Angstmechanismen und irrationaler Gruppenemotionalitäten. Unser Hang zur Irrationalität wider alle individuelle Rationalität innerhalb des Gruppenzwangs ist die Quelle schier endloser Verirrungen und kollektiver Unrechtssysteme. Zu schnell geben wir durch diese Mechanismen die Ideale der Aufklärung und Freiheit preis, wenn wir im Angesicht eines unsere Schaltzentren des Willens und der Kognition übernehmenden kollektiven Konformitätsdrucks nachgeben und nachgeben müssen, weil wir nun mal so funktionieren wie wir funktionieren, sobald wir uns als Teil einer Gruppe begreifen oder wie so oft ein phyischer Bestandteil einer Gruppe etwa durch Mitgliedschaft, Zugehörigkeitsgefühl oder materielle Abhängigkeit vom Gruppensystem sind und mitmarschieren wollen oder müssen.

Friedrich Nietzsche brachte das Krankhafte an Gruppendynamiken in dieser Sentenz auf den Punkt:

Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, — aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.“

Interessant ist in dieser Sentenz, dass hier eine Art Zeitgeist auch gruppendynamisch wirksam im Sinne der Massenpsychologie der physischen Gruppendynamik einer Masse analog in eine Reihe gesetzt wird. Der Zeitgeist wirkt ähnlich vereinnahmend wie die Gruppendynamik – er kommt mit der Dominanz der Mehrheitsmeinung und des Mehrheitsdruck-Arguments.

Auch Johann Wolfgang Goethe erkannte die ungesunde Morbidität und Absurdität der Eigendynamik des Gruppenzwangs und brachte sie in folgendem Aphorismus zum Ausdruck:

Ureigensten Sinn lass dir nicht rauben! Woran die Menge glaubt, ist leicht zu glauben. …“

Schon aufgrund dieser Tatsachen, die diese beide großen Dichter und Denker ansprachen, sollten wir per se, also von vornherein und generell immer der (angeblichen und fiktionalen) Mehrheitsmeinung unser Misstrauen und unsere Abneigung entgegen bringen. Vor allem immer dann, wenn Massenmedien einhellig eine Meinung vertreten, wird es kriminell und sollten unsere Alarmglocken schrillen, dass hier die massenpsychologische Eigendynamik aktiviert und befüttert werden soll. Extreme Kritik ist immer gegenüber der herrschenden Meinung und einer politischen korrekten Ansicht und Position in besonderem Maße angebracht und sollte sich jeder rational und vernünftig denkenden Mensch schon aus Prinzip aneignen, um eben die selbstständigen Gesetze der Gruppendynamik in unserem psychischen Funktionieren zu relativieren. Es bedarf natürlich eines größeren (psychischen) Aufwandes, nicht der Mehrheitsmeinung zu folgen, sondern der Mindermeinung. Der irrationale nötigende Zwang ist damit schon immer der Mehrheitsmeinung von vornherein zu eigen gewesen und verführt geradezu dazu, vorschnell und privilegiert angenommen zu werden.

Auch das meist gelesenste Buch der Welt – die Bibel – weiß im Neuen Testament dieses Prinzip zu benennen und verwendet ein treffendes Bild für die tödlich wirksame Eigendynamik massenpsychologischer Einbettung unserer Psyche, wenn wir vom Einzelindividuum zum massenpsychologisch funktionierenden Bestandteil einer Gruppe, Nation, eines Lagers oder einen Interessenblocks werden: Der breite Weg. Diesem Weg wird der

Der schmale Weg (Matthäus 7)

gegenübergestellt: “Mt 7,13-14 Geht hinein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die auf ihm hineingehen. Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden.”

— Was zeichnet als Gemeinsamkeit Gruppen, Parteien und Länder aus, in denen man als Individuum aufgehen mag? Die Fiktion einer gemeinschaftlichen Stärke über DIE emotionale Berauschung, man sei ein Teil einer Gruppe und damit als Einzelner unangreifbar und somit nicht mehr seinen individuellen Ängsten ausgeliefert. Diese kollektive Angstvorsorge richtet sich sodann gegen den Einzelnen geballt.

Die Belanglosigkeit des Einzelnen …

Das Böse, dass hierin liegt, ist schwer zu fassen. Dennoch ist es die Grundlage und Voraussetzung der Jahrtausende währenden Gruppendynamiken der Menschheitsgeschichte gewesen, durch die soviel Leid ermöglicht wurde. Was ist das Böse, auf den Punkt gebracht?? Die Banalität des Bösen begegnet uns hierin: Das Individuum geht in einer Gruppe unter bzw. wird geschluckt und platt gemacht, wenn es nicht pariert und sich in die Gruppendynamik fügt. Am schlimmsten wiegt wohl der Faktor der BELANGLOSIGKEIT DES EINZELNEN innerhalb einer Gruppe bzw. die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber dem Bösen der Gruppendynamik. Diesen Aspekt hat Hannah Arendt, die wohl bedeutendste Rechtstheoretikerin unserer Zeit in ihrem Buch “Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen” im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus über die Umstände des Holocaust an einer Stelle angeschnitten:

“Es gibt natürlich Erklärungen dafür, dass diese Zeit so furchtbar arm an Gesten einfachster Menschlichkeit war, und sie sind viele Male vorgetragen und wiederholt worden. Ich will ihren Kern in den Worten eines der wenigen subjektiv ehrlichen Memoirenbücher der Kriegszeit wiedergeben, die in Deutschland veröffentlicht worden sind. PETER BAMM, ein deutscher Militärarzt, der an der russischen Front diente, berichtet in “Die unsichtbare Flagge” (1952) über die Ermordung von Juden in Sewastopol. Sie wurden von “den anderen”, wie er die SS-Mordkommandos nennt, um sie von den gewöhnlichen Soldaten zu unterscheiden, deren Anständigkeit das Buch preist, zusammengetrieben und in einen versiegelten Sondertrakt des ehemaligen GPU-Gefängnisses gesteckt, das an die Offiziersunterkunft angrenzte, in der Bamms eigene Einheit einquartiert war. Sie mußten dann einen fahrbaren Gaswagen besteigen, in dem sie nach wenigen Minuten starben, worauf der Fahrer die Leichen aus der Stadt hinausfuhr und sie in Panzergräben ablud. Wir wußten das. Wir taten nichts. Jeder, der wirklich protestiert hätte, oder etwas gegen das Mordkommando unternommen hätte, wäre vierundzwanzig Stunden später verhaftet worden und verschwunden. Es gehört zu den Raffinements der totalitären Staatskonstruktionen unseres Jahrhunderts, daß sie ihren Gegnern keine Gelegenheit geben, für ihre Überzeugung einen großen dramatischen Märtyrertod zu sterben. Den hätte vielleicht mancher von uns auf sich genommen. Der totalitäre Staat läßt seine Gegner in einer stummen Anonymität verschwinden. Es ist gewiß, daß jeder, der es gewagt hätte, lieber den Tod zu erleiden als schweigend Verbrechen zu dulden, nutzlos sein Leben geopfert hätte. Damit will ich nicht sagen, dass ein solches Opfer moralisch sinnlos gewesen wäre. Es ist nur gesagt, daß es praktisch nutzlos gewesen wäre. Niemand von uns hatte eine Überzeugung, deren Wurzeln tief genug gingen, ein praktisch nutzloses Opfer um eines höheren moralischen Sinnes willen auf sich zu nehmen.” All dies ist völlig richtig, und das einzige, was man hinzufügen kann, weil der Autor es nicht bemerkt, ist die BELANGLOSIGKEIT einer “Anständigkeit”, der der “höhere moralische Sinn” abhanden gekommen ist.”

Quelle: Hannah Arendt, “Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen”, S. 345 f.

Diese BELANGLOSIGKEIT einer (rationalen und eigenständigen) “Anständigkeit” des Einzelnen und auch die BELANGLOSIGKEIT, mit der Systeme und mediale Strukturen, Einzelne quasi durch anonymisierende Begriffe ohne wirkliche Rationalität und ohne sachliche Auseinandersetzung verschwinden lassen, ist Kennzeichen faschistischer und dikatatorischer Systeme aller Zeiten, egal wie diese sich (auch gerade gegenwärtig) vermarkten. Solche Begriffe, durch die man die Belanglosigkeit des Individuums generiert und seine Rationalität, seine Rechte, seine autonome Würde und seine Freiheit, die gehört werden will, verschwinden lässt gegenüber einer gleichgeschalteten Masse sind neuerdings “Verschwörungstheoretiker”, “Rechtspopulist”, “Virusleugner” etc. Durch diese verklammernden Begriffe werden systemkritische und höchst sachlich-demokratische Angelegenheiten und Themen in ihrer Diskursfähigkeit und Diskursqualität für den öffentlichen Debattenraum als Basis aller demokratischen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesse ausgeblendet. Dadurch wird massiv der öffentliche Debattenraum durch eine kleine Gruppe von Medienkartellinhabern bestimmt, definiert und eingeschränkt. Über diese mediale Brücke wird eine Art der “policial correctness” erzeugt, die dann wiederum massenpsychologisch-gruppendynamisch in Form der kollektiven Gesetze hochexplosive “Mischungswirksamkeit” zusammen mit den angewendeten übrigen Manipulationsmechanismen wie dem Gesetz der gesteuerten Opposition, einer entstellenden und höchst selektiven Berichterstattung, Framing- und Verklammerungstechniken, Nunzulässigen Argumenten wie dem Strohmann-Argument, der ad-hominem- Argumentation (mediale Omnipräsenz bis zum Erbrechen ) und sonstige Verfälschungs- und Manipulationsstrategienwie Nudgingtechniken u. a. m. – die vielen Manipulations-Aspekte könnten Bände füllen und man sollte sie eigentlich kennen, denn damit bearbeitet man uns! – entfaltet. Früher waren es Begriffe wie “Spion”, “staatsfeindliche Propaganda”, “subversives Element”, “Dissident” etc. Immer sind es genauso wir früher Worthülsen, in denen Menschen gegenüber einer real oder fiktiv-medial gleichgeschalteten, politisch korrekten Einheitsmeinung und mehr oder weniger homogenen Einheitsgruppe oder eines Systems durch anonymisierende und verklammernde Begriffe in einer Versenkung verschwinden, die die Gruppe gegenüber dem ausscherenden Individuum überlegen und gemäß dem Group -Think (dazu unten mehr) extrem selbstherrlich erscheinen lässt. Dabei wird das abweichende Individuum selbst als eine Art gruppendefinierter Feind in einer Art Gegengruppe, also einer Art Gegenpol zur Gruppe der politischen Korrektheit entstellt und anonymisierend-reduzierend als Abweichler verschwunden gelassen. Dieser Mechanismus der Reduzierung von Individualität auf Gruppendenken ist der “bösen Eigendynamik” dieser Gesetze zu eigen und wird speziell von unseren Massenmedien praktiziert. Die gruppendynamischen Gesetze und die Gesetze der Massenpsychologie werden ganz gezielt von unseren Kartell- und Leitmedien benutzt. Dabei macht man sich die totalitäre Sogwirkung des Group-Thinks als auch die totalitäre Anziehungskraft des massenpsychologischen Konformitätsdrucks der erzeugten Mehrheitsmeinung zunutze. Dieser Totalitarismus von Gruppen bzw. Gruppendenken ist automatisiert und korreliert auch mit individuellen und kollektiven Angststrukturen. Totalitarismus ist vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeiten der Gruppendynamik und wenn man diese kennt, beim Einzelnen und Einzelpersonen bzw. autark gegenüber stehenden und miteinander kommunizierenden Individuuen die Ausnahme. Individueller Narzissmus mit totalitären Strukturen entfaltet auch erst dann seine verherrenden Wirkungen, wenn das narzistische Individuum innerhalb einer Gruppe sich “machtergreifend” entfalten kann und z.B. als Führer an die Spitze einer Gruppe gestellt wird und sich der Narzissmus quasi dann virulent durch die Eigendynamik der Gruppe und gemäß den Gesetzen der Massenpsychologie gruppendynamisch entfalten kann. Individuuen hingegen können sich sehr wohl gegenüber einem Narzissten als einzeln Agierendem und Auftretendem zur Wehr setzen; ist der Narzismus hingegen durch eine Gruppe gruppendynamisch strukturiert, kann sich der Einzelne innerhalb einer Gruppe bzw. konfrontiert mit einer Gruppe nur sehr schwer aufgrund der Sogwirkung des Group Thinks und der massenpsychologischen Eigendynamik entziehen.

Ebenso, wie es physisch-präsente Gruppendynamiken (zB Schule, Uni, Arbeitsstelle, Armeedienst etc.) und virtuelle Gruppendynamiken (zB Internet, hier zB konkret angebliche bzw. vorgespiegelte Mehrheitsmeinung in Foren (insbesondere durch Riesenheere an Bloggern der Elitendienste und Kartelle und bezahltes Trolling) oder Fiktion der öffentlichen Mehrheitsmeinung über das Primat der veröffentlichten Meinung der Massen- und Kartellmedien z.B. in Zeitungen und Fernsehsendern) gibt, gibt es fiktive Gruppendynamiken im engeren Sinne, die über die Massenmedien verbreitet werden und trotz der Tatsache ihres rein fiktionalen Charakters an Wirksamkeit in nichts dem realen, physisch anliegenden Konformitäts- und Gruppenzwang nachstehen in unserem Gehirn. Diese fiktiven Gruppendynamiken werden zum einem Teil über Filme und Entertainment in unsere Hirne implantiert (Gesetz der Gewöhnung); identitätsstiftende Gruppendynamiken können auch über Refrakturierungstechniken in unser Gehirn ganz elegant installiert werden, ohne dass wir das mitkriegen. Sie aktivieren diese Gruppendynamik durch die massenpsychologisch mitschwingenden Mechanismen der Gruppendynamik wie Konformitätszwang, Gleichschaltung, Sanktions-Angst, Nicht-Auffallen-Wollen, Ausgrenzungsangst etc. nicht minder.

Immer wenn also die Fiktion der Gruppe bzw. eines Gruppenbewusstseins in den Massenmedien gefüttert und ausgewalzt wird, dann können wir mit Sicherheit sagen, werden die Mechanismen des Bösen bzw. unserer Funktion mit schier endlosem Potential zum Bösen gewälzt und getriggert.

Wir funktionieren also anders in der Gruppe als als Individuum vereinzelt und isoliert.

Auf politischer Ebene entfaltet sich das Böse durch Gruppenbildung und den Gruppenzwang durch die FRAKTIONEN als Gruppendynamische Gebilde, über die die Eliten und ihre Netzwerke aus einer echten Demokratie eine kartellumlagerte und stark eingeschränkte Scheindemokratie bzw. ein konzern- und elitengesteuert-mediales Affentheater gemacht haben.

Gruppendynamiken setzen die individuelle Moral außer Kraft und das individuelle Gewissen …

Ein Umstand, den auch die Väter des Grundgesetzes sehr wohl kannten, weshalb sie bewusst das Prinzip der individuellen Mandatsausübung ins Grundgesetz verankert haben. Dieses lautet in Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes wie folgt: “(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und NUR IHREM GEWISSEN unterworfen.” Dieses Prinzip wurde durch den Fraktionszwang nahezu vollständig ausgehöhlt. Wie wir nunmehr wissen, nicht zufällig, sondern bewusst von den Seilschaften der Finanzoligarchie, die im Hintergrund immer die Fäden des politischen Managments und schon lange sämtliche Fäden in den Scheindemokratien der westlichen Welt u. a. über diese Mechanismen der Gruppendynamik ziehen. Wie es diese Strippenzieher über die Struktur der Mustergruppe und des Gruppenbewusstseins einer Partei schaffen, brachte bereits 1998 Wilhelm Drühe, 40822 Mettmann in seinem Leserbrief in der CiG wie folgt zu, Ausdruck:

“Hatte das Grundgesetz in Artikel 21 ursprünglich bestimmt, daß die Parteien bei der politischen Willensbildung mitwirken, so haben diese, wahrscheinlich in einer Eigengesetzlichkeit politischer Gruppierungen, den Grundgesetzartikel 20 auf sich umgedeutet. Der damalige Parlamentarische Rat war noch stolz darauf, festsetzen zu dürfen: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Heute müßte man angesichts der politischen Weiterentwicklungen schreiben: “Alle Staatsgewalt geht von den Parteien aus.” Sicher wählen wir noch, aber eben doch Parteien und politische Ideologien. Und das Parlament (vgl. Kommentar in CiG Nr. 44/1998) ist verkommen zu einem Unterausschuß des jeweils regierenden Parteitages. Kein Wunder! Denn auch die Parlamentarier sind Produkte ihrer Parteien. In deren Zentralen wird die Politik bestimmt und gemacht – Fraktionsvorsitzende sind dann nur noch eine Marionette. Nochmals das Grundgesetz, von den Parteien ausgehöhlt: Offen wird von “Fraktionszwang” gesprochen. Nach Artikel 38 sollen die Abgeordneten “an Aufträge und Weisungen nicht gebunden” sein. Dabei geht es nicht nur um ein “Unwort” – wie Sie schreiben -, sondern um einen Skandal.”

Resümee aus diesem konstatierten Sachverhalt: Parteien und der mit ihnen einhergehende Gruppenzwang müssten in einer echten Demokratie und Volksherrschaft in der bekannten und vorherrschenden Form real existierender Fassadendemokratie verboten bzw. wenigstens entmachtet werden, z.B. Abschaffung des Übergewichts und der Sonderrechte der Fraktionen über das Parteiengesetz und damit Abschaffung der Priviligierung von Gruppenhomogenität und Gruppenzwang zu Lasten des individuellen Mandats bzw. des Prinzips des autonomen Einzelmandats gemäß Artikel 38 GG. Durch das einfach-gesetzliche positive Recht und dessen praktische Umsetzung wird das Grundgesetz im Grunde in sein Gegenteil verkehrt und eine Diktatur des Gruppenzwangs wider die Autonomie des nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten errichtet. Artikel 38 Grundgesetz ist damit eine theoretische Fiktion, die an den Gegenbenheiten der Realität elementar scheitert.

Der Fachjournalist Wolfgang Koschnik, Allensbach führt in seinem Buch “Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr” im Kapitel “Parlamentarier im Würgegriff des Fraktionszwangs” auf Seiten 139 – 150 dazu aus:

“Über die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten wird stes gebetsmühlenhaft die Bestimmung des Grundgesetzes (GG) zitiert: Nach Artikel 38 GG sind Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Nach Artikel 46 GG darf kein Abgeordneter in irgendeiner Weise gerichtlich, dienstlich oder sonst außerhalb des Bundestags wegen seiner Abstimmung zur Verantwortung gezogen werden. Die Abgeordneten sind so frei, wie sie es sein wollen – niemand kann sie zwingen, bei einer Abstimmung die Hand zu heben oder sie unten zu lassen oder eine blaue, rote oder weiße Abstimmungskarte abzugeben.

Soweit die Theorie.

Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Unbestritten und unbestreitbar ist, dass die Fraktionen im Bundestag und in den Länderparlamenten so gut wie immer einmütig abstimmen. So gut wie immer bedeutet: In mehr als 99 Prozent aller Fälle. Das gilt nicht nur bei namentlichen Abstimmungen, bei denen Namenskarten abgegeben werden und das Stimmverhalten des einzelnen Abgeordneten im Protokoll festgehalten wird. Manche kommen nur, weil die “Stallwache” der Fraktion im Plenum über die Rufanlage durchgeben ließ, dass die Mehrheit im Plenum gefährdet ist und die Kollegen schleunigst ins Plenum kommen mögen. Die volle Abgeordnetenentschädigung wird nur dann ausgezahlt, wenn ein Abgeordneter an den Pflichtsitzungen des Bundestags teilnimmt und seine Anwesenheit durch seine Unterschrift bestätigt. Üblicherweise gilt in den Sitzungswochen Anwesenheitspflicht von Dienstag bis Freitag. Verpasst jemand einen Sitzungstag oder vor allem eine namentliche Abstimmung, gibt es pro Tag Abzüge zwischen 50 bis 100 Euro. Immer mal wieder kommt es vor, dass trotz aller Idsziplinierungsmaßnahmen und Drohungen ungewiss ist, wie Abstimmungen ausgehen. Und immer wenn die Fraktionsspitzen nicht sicher sind, was passieren könnte, lassen sie es erst gar nicht auf den riskanten Versuch ankommen, wie die Mehrheit wohl ausfallen könnte. Das wäre einfach zu demokratisch-naiv gedacht. Nein, dann wird erst mal geübt, und zwar so lange, bis das Richtige herauskommt.

Die Freiheit des Abgeordneten ist eine Illusion

Probeabstimmungen dienen nicht etwa dazu, mal ein bisschen herumzuprobieren, wie die Abgeordneten sich wohl entscheiden könnten. Da wird nichts im Wortsinne “geprobt”. Das wäre ja auch albern; denn die Abgeordneten sitzen lange genug im Parlament, um zu wissen, wie man abstimmt. Die müssen nicht noch üben. Probeabstimmungen sind ein Instrument der Disziplinierung in der Hand der Fraktionsführungen. Kommt dabei nicht das gewünschte Ergebnis heraus, nimmt die Fraktionsspitze sich die Wackelkandidaten in der eigenen Fraktion zur Brust und bekniet sie unter Einsatz vielfältiger Druckmittel. Wenn die dann schließlich versprechen, “richtig” abzustimmen, kommt die nächste Probeabstimmung. Und bis alle Abgeordneten zur Raison gebracht sind, können schon mal mehrere Probeabstimmungen nötig werden. …

Doch der Druck zur Geschlossenheit der eigenen Reihen ist so irrational stark, dass unbedingt eine eigene Kanzlermehrheit her musste.

Da reicht es völlig hin, wenn man einen gehorsamen Parteisoldaten hat, der brav alles abnickt, was man ihm vorsetzt. Und das ist nun einmal die einzige Qualifikation eines Parlamentariers, die wirklich gebraucht wird: Er muss spuren. Wie weit sich doch die real existierenden Demokratien vom Ideal einer lebendigen Demokratie entfernt haben.

Wer von der Fraktionslinie abweicht, ist ein Verräter

Doch in Wahrheit sind die politischen Parteien und ihre Fraktionen überhaupt keine Gesinnungsgemeinschaften. Sie verhalten sich nur so. Sie tun so, als sei der Kitt, der sie alle zusammenhält, eine gemeinsame Gesinnung. Und weil sie das alle glauben, halten sie in den Parlamentsfraktionen zusammen wie Pech und Schwefel. Wer abweicht, gilt als Verräter. Und er ist es aus parteilicher Perspektive ja auch; denn wenn eine Regierung einmal bei einer wichtigen Abstimmung keine Mehrheit bekommt, bedeutet das in aller Regel ihr Ende. Der Fehler liegt im System, in dem die Zukunft einer Regierung so sehr von der Geschlossenheit ihrer Abgeordneten abhängt, dass der gnadenlose Fraktionszwang schier unvermeidlich erscheint. Fälle von Abweichung sind außerordentlich selten, ja, sie kommen so gut wie gar nicht vor. Aber wenn sie vorkommen, enden alle ähnlich: Der Abweichler wird gemobbt und isoliert und gibt entweder selbst auf oder wird abgestraft – in der Regel dadurch, dass seine Wiederwahl unmöglich gemacht wird. Wer von der Mehrheit abweicht, darf alle Hoffnungen auf eine Karriere in Partei, Fraktion oder gar Regierung fahren lassen.

Eine freie und unabhängige Meinung kann sich ein Abgeordneter, der auch noch eine Karriere machen möchte, nicht leisten – schon gar nicht in Schicksalfragen für die eigene Partei, Fraktion oder gar Regierung. Bei anderen Themen mag das anders sein: Wenn er sich den Luxus seiner eigenen Meinung zur Lage der Landwirtschaft in der südlichen Mongolei leistet, nimmt ihm das wohl niemand krumm …

“… Hat diese Koalitionsrunde ein Projekt beschlossen, dann wird es vor und von den einschlägigen Medien verkündet: >Die Koalition hat beschlossen … und so weiter.< Die Sache soll entschieden sein, bevor sie das Parlament überhaupt erreicht hat, und meistens ist sie es auch. Wer dann noch Fragen hat, wird zum Bremsklotz am Siegeswagen der Koalition oder Fraktion. Es wird peinlich genau darauf geachtet, dass die entsprechende Tischvorlage den Fraktionen in den Sitzungen zur gleichen Zeit vorgelegt wird. Es wird mit einem gewissen mahnenden Unterton sofort mitgeteilt, dass die andere Fraktion schon entsprechend beschlossen habe und gefragt, was denn die Öffentlichkeit wohl denken solle, wenn es >bei uns< so lange dauert. Da sei doch die Handlungsfähigkeit und die Geschlossenheit in Gefahr — und so weiter, man kennt das bis zum Überdruss. Die notwendige Gruppensolidarität wird zum Instrument der Fraktionsführungen, um die Willensbildung unter Druck zu setzen, ja unter den moralischen Zwang, dass sonst der von allen gewünschte langfristige politische Erfolg von den kleinlichen oder individualistischen Bedenken der >gewissenspolitischen Sprecher< gefährdet wird. Es ist eine tatsächlich gebrauchte Bezeichnung für diejenigen, die ein erzieltes Verhandlungsergebnis problematisieren.” (Quelle: Hirsch, Burkhard: Wer wagt es, nein zu sagen. Erfahrungen aus dem Innern. In; Freitag vom 26. November 1999)

Der parlamentarische Tiger hat keine Zähne

Tatsächlich herrscht bei den meisten Parlamentsentscheidungen Fraktionszwang. Wenn ein Abgeordneter von der Fraktionssolidarität abweichen möchte, begründet er das in der Regel in der vorangehenden Fraktionssitzung. Wenn das die Mehrheitsverhältnisse nicht tangiert, gilt das meist als unproblematisch. Wenn sein Abweichen allerdings die Mehrheitsverhältnisse gefährden sollte, kann sich ein Abgeordneter das nicht leisten. Dann herrscht ein unerbitterlicher Fraktionszwang. Und bei den Abgeordneten, die einer Regierungskoalition angehöre, ist der Fraktionszwang noch unerbitterlicher als bei der Opposition. Schon der rein Selbsterhaltungstrieb gebietet es, dass sich die Mitglieder einer Regierungsfraktion dem Zwang zur einheitlichen Abstimmung ohne Wenn und Aber unterwerfen. “Soweit wir Mitglieder der Regierungsfraktion sind, sind wir im Grunde, was Kontrolle und Gesetzgebung anlangt, nicht mehr in der Rolle des Parlaments nach der klassischen Gewaltenteilungslehre.” (Quelle: Häfele, Hansjörg: Bürokratisierung des Parlaments. In: Hübner, Emil/Oberreuter, Heinrich/Rausch, Heinz (Hrsg.): Der Bundestag von innen gesehen. München 1969, S. 188) Mit anderen Worten: Das Parlament verzichtet in seiner Mehrheit freiwillig und ohne wirkliche Not auf seine vornehmste und angeblich wichtigste Aufgabe, die Kontrolle der Regierung, und überlässt das lieber der Opposition. Doch die ist machtlos und kann eigentlich nur wirkungslos schimpfen. Der parlamentarische Tiger hat keine Zähne, und die Opposition ist nur ein kleiner Rohrspatz … Diese Erkenntnis übrigens ist in allen ernst zu nehmenden Analysen des Abstimmungsverhaltens von Abgeordneten seit langem wohl bekannt. So schrieb der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim 1994: “Parlamentsmehrheit und Regierung bilden heute in der Praxis eine parteipolitische Einheit, weil die Wiederwahl der Mitglieder der Mehrheitsfraktion wesentlich vom Erfolg der Regierung abhängt. Dieser parteipolitische Monismus bewirkt, dass regelmäßig nur die Opposition wirklich kontrolliert. Sie ist aber in der Minderheit und kann deshalb keine Sanktionen gegen die Regierung und ihre Mehrheit im Parlament beschließen. Es besteht also die missliche Situation, dass die Mehrheit des Parlaments die Regierung zwar kontrollieren könnte, dies aber nicht will, während die Opposition die Regierung kontrollieren will, dies aber – mangels der Mehrheit im Parlament – nicht wirksam tun kann. Ohne wirkliche Gewaltenteilung hängt die Kontrolle, die auf das Gegeneinander von Parlament und Regierung hin konzipiert ist und deshalb Mehrheitsbeschlüsse des Parlaments verlangt, weitgehend in der Luft.” (Quelle: Arnim, Hans Herbert von: Alle Macht dem Volk, In: Die Zeit vom 4. November 1994, S. 14)

Fraktionsdisziplin ist kein demokratisches Instrument

Das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten in Bundestag und in den Länderparlamenten ist in jeder Legislaturperiode ausgiebig untersucht worden. Das Ergebnis war stets das Gleiche: Sie folgen bei allen Entscheiungen der Fraktionsdisziplin. Ausnahmen gibt es so gut wie keine.

Wie so oft gibt es auch eine Reihe von nachvollziehbaren Argumenten, die für eine Fraktionsdisziplin sprechen … Auf jeden Fall ist die Durchsetzung von Fraktionsdisziplin kein ur- und erzdemokratischer Prozess. Die Fraktionsdisziplin allein wäre kein Problem, fügte sie sich nicht in eine Vielzahl von undemokratischen Prozeduren ein, die einander in ihrer Fülle zur Degenerierung der entwickelten Demokratien ergänzen.

Fraktionsdisziplin ist ein hierarchisches Instrument, mit dem Entscheidungen jedenfalls nicht von unten nach oben stattfinden. Die Richtung ist umgekehrt: von oben nach unten. Und wenn Entscheidungen in Parlamenten von oben nach unten stattfinden, dann ist das jedenfalls nicht gerade das Muster gelebter Demokratie.

Tatsächlich treiben die Fraktionsführungen aller Parteien erheblichen Aufwand, um Fraktionsdisziplin zu erzwingen. Es versteht sich von selbst, dass sie von ihren Abgeordneten erwarten, dass sie grundsätzlich so abstimmen, wie sie es ihren Abgeordneten vorgeben. Sie sprechen zwar meist mit vornehmer Zurückhaltung davon, dass sie das „erwarten“. Aber sie meinen, dass sie das „verlangen“ und im Zweifelsfall auch „erzwingen“. Einen Einblick darin, wie das praktisch abläuft, hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler der Internetpalttform abgeordetenwatch.de gegeben. „Jeder Abgeordente muss nach seiner Fraktionsordnung einen Tag vor der Abstimmung schriftlich anzeigen, wenn er bei der Abstimmung von der Fraktionslinie abweichen will.“ Zugespitzt könnte man sagen: SOGAR DAS FREIE GEWISSEN MUSS BEI DER FRAKTIONSFÜHRUNG ANGEMELDET WERDEN.

Inzwischen behalten sich die Fraktionsführungen im Bundestag sogar die Genehmigung vor, welche Papiere in den Postfächern der Volksvertreter landen. Abgeordnete müssen bis 17:00 Uhr am Vortag ihrer Fraktionsführung schriftlich mitteilen, wenn sie bei Abstimmungen von der Parteilinie abweichen wollen.

Wenn sie „abweichen“, droht man ihnen, dass sie ihren Posten in der Fraktion verlieren könnten – spätestens, wenn sie das ein zweites Mal wagen. Noch verbreiteter ist, dass der Landesgruppen-Vorsitzende dem Volksvertreter zuraunt, die Kanzlerin halte doch viel von ihm und würde ihn am liebsten in der ersten Reihe sehen. Dazu müsste er aber „richtig“ abstimmen.

Jede Fraktion hat ihren eigenen Stil bei der Durchsetzung des Fraktionszwangs. So gibt es bei der SPD-Fraktion „einen einstimmig zu Beginn der Legislatur verabschiedeten Beschluss über das Selbstverständnis der Fraktion. Darin ist festgehalten, dass es dem Selbstverständnis der Fraktion entspricht, in der Fraktion getroffene Entscheidungen geschlossen im Bundestag zu vertreten.“

In der CDU werden Abweichler von der Fraktionslinie ganz unverblümt als „EDEKA-Club“ bezeichnet. Edeka steht dabei für das „Ende der Karierre“, also die Streichung von der Liste zur nächsten Wahl.

Die Fraktionsspitzen aller Parteien können den Fraktionszwang, den sie ausüben, so oft leugnen, wie sie mögen, sie konnten es nicht verhindern, dass „Abweichler“ hinterher in den Medien ausgiebig darüber berichteten, wie sie kaltgestellt wurden. (So etwa BILD vom 18. Juni 2015 „Griechen-Krise: CDU-Abgeordnete von Fraktion kaltgestellt“ FAZ von Donnerstag, 22. Oktober 2015 „Klaus Peter Willsch. Als Abweichler in Berlin abgestraft …“)

Im Parlament geht es für den einzelnen Abgeordneten nur noch darum, ebenso wie die Fraktionsspitze abzustimmen, ohne jede Entscheidung noch auf ihre sachliche Richtigkeit und politische Stimmigkeit zu prüfen. Verantwortungsbewusstes Handeln sieht anders aus. …

Im Kinderglauben an das Funktionieren der Demokratie geht alle Macht vom Volke aus, das seine Abgeordneten in die Parlamente wählt. Und die Parlamente bestimmen die Zusammensetzung der Regierung und kontrollieren deren Tun. In Wahrheit laufen die Entscheidungen in umgekehrter Richtung: Alle Entscheidungsprozesse in Parlamenten finden von oben nach unten statt. Dafür sorgen die Fraktionsspitzen. Die gelebte Demokratie in den Parlamenten ist tot. Sie hat sich selbst gemeuchelt.

Die Parlamentarier degradieren sich selbst zum Stimmvieh

Vollends auf die grundgesetzwidrige Spitze hat es die große Koalition des Jahres 2013 getrieben. Sie hat den Fraktionszwang sogar zum Bestandteil des Koalitionsvertrages gemacht, und das obwohl sie doch sowieso schon eine satte Mehrheit kontrolliert: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“(Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, 8. Arbeitsweise der Koalition, Kooperation der Fraktionen, S. 184 www.bundesregierung.de…)

Was für ein jämmerliches Schauspiel: Im Koalitionsvertrag lassen die Koalitionäre den Fraktionszwang in aller Form festschreiben, die SPD-Mitglieder über diese Festschreibung auch noch abstimmen und behaupten dann auch noch dreist: Einen Fraktionszwang gibt es bei uns nicht.

Die große Koalition hat ihre Abgeordneten dazu verdonnert, zu jeder Zeit und unter absolut gar allen Umständen in totaler Geschlossenheit abzustimmen – komme, was da wolle. Angesichts der ohnehin schon gewaltigen Mehrheit, die CDU/CSU und SPD in allen Gremien des Parlaments haben, ist das eine Konfiguration, die man nur noch mit dem Einstimmigkeitsgebot kommunistischer Parteien vergleichen kann: demokratischer Stalinismus.

Wir sehen anhand dieser Ausführungen, dass wir in einer gruppendynamisch basierten versteckten Dikatur auf politischer Ebene leben, die sich hinter der Fassade einer Scheindemokatrie versteckt. Das Mittel der Umsetzung ist der gruppenbasierte Irrsinn der Parteien und ihrer Fraktionen und der gruppendynamisch-hierarchisch basierten Machtfülle der Fraktionsvorstände.

Die Argumente, die oft für den gruppendynamischen Fraktionszwang sprechen, wie mehrheitsfähige und abstimmungsstabile Parlamente und eine zur Durchbringung neuer oder zu ändernder Gesetze fähige Regierung werden oft als Hauptargument für den gruppendynamischen Fraktionszwang und das stringente Parteienprinzip ins Feld geführt.

Hiergegen wendet Wolfgang Koschnik, ebd. auf Seite 142 f. nachvollziehbar die enorme Machtzentralisation und versteckte Machtbündelung durch hierarchische Strukturen an der Spitze von Partei und Fraktion mittels Zitierung bei Burkhard Hirsch ein:

“Politik ist nicht nur Einzelleistung, sondern Teamarbeit. Niemand ist Spezialist für alles. Es gibt in jeder Fraktion eine sorgfältige Arbeitsteilung, Sprecher für bestimmte Gebiete, deren Glaubwürdigkeit bei dem politischen Partner wie dem Gegner davon abhängt, dass die Fraktion ihren Verabredungen folgt. Schwierig und unter demokratischen Gesichtspunkten auch problematisch werden diese Prozeduren jedoch dann, wenn es sich um Verabredungen der Fraktionsführungen mit dem Koalitionspartner, um Herzensangelegenheiten der von der Fraktion gestützten Regierung oder der eigenen Minister handelt oder wenn es um politische Reizthemen geht, bei denen jeder Abvgeordnete seine eigene Meinung haben kann und haben muss.

Es ist ganz offenkundig, dass bei solchen Grundfragen eine massive Hierarchisierung der Meiungsbildung eingetreten ist, also der Versuch der Führungsspitze einer Fraktion, Grundentscheidungen zu treffen, sie gegebenenfalls mit der Führung der anderen Koalitionsfraktion zu verabreden und dann in der Fraktion durchzusetzen. Typische Vorgänge dieser Art sind die Teilnahme der Fraktionsvorsitzenden in Begleitung eines Geschäftsführers an der Kabinettssitzung oder die Bildung sogenannter Elefantenrunden, an denen neben dem Bundeskanzler und den unmittelbar beteiligten Ministern die Fraktionsvorsitzenden, Generalsekretäre, Fraktionsgeschäftsführer, manchmal sogar (!) der zuständige Fachsprecher der Fraktion teilnehmen, wenn er nicht gebeten wird, für den Fraktionsvorsitzenden einen Sprechzettel anzufertigen. Allzu große Nähe zum Detail erschwert eben den Überblick, und da verlässt man sich lieber auf die stets zur Verfügung stehenden Fachbeamten der Minister.”

Quelle: Hirsch, Burkhard, ebd.

Wolfgang Koschnik hierzu vertiefend, S. 148 f. , ebd.:

“Der Kreis der wahren Entscheidungsträger in den Fraktionen ist sehr klein. Zwar haben die Fraktionen je nach Größe Vorstände von zwischen 5 und 50 Personen. Doch die einzigen Entscheidungsträger in den Fraktionen sind der Fraktionsvorsitzende und der Fraktionsgeschäftsführer. ´Sie bereiten die Sitzungen der Fraktionsvorstände der Sache und den Themen nach vor, sodass sich eine Ausweitung der Meinungsbildung dieses Kreises über den Fraktionsvorstand bis hin zu den Fraktionen ergibt. Die Fraktionsvorstände übernehmen dabei meist die Abschirmung vorbereiteter Entscheidungskonzepte in und gegenüber der Fraktion. Selbst wenn es in den Fraktionsvorständen zu differenten Auffassungen gekommen ist, erfahren die Fraktionsmitglieder davon offiziell keineswegs immer etwas.´(Quelle: Lohmar, Ulrich (1975): Das Hohe Haus. Der Bundestag und die Verfassungswirklichkeit, Stuttgart, S. 154) Und Ulrich Lohmar unterstreicht: `Für diese Einschätzung der Machtverteilung spricht, dass die Amtsdauer der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag nie durch einen Beschluss der Fraktion beendet wurde, sondern regelmäßig durch eigenen Entschluss oder durch den Tod begrenzt worden ist.´(Quelle: Lohmar, Ulrich, ebd, S. 155) Der eigentliche Partner der Bundesregierung auf Seiten des Parlaments ist also der Fraktionsvorsitzende der Mehrheitspartei im Bundestag. ´Die Abgeordneten sehen sich den hierarchischen Spitzen der Regierung und eigenen Fraktion gegenüber. Sie betrachten, da sie die realen Machtverhältnisse zutreffend einschätzen lernen, ihre Fraktionsführer als ihre eigentlichen Auftraggeber innerhalb des Parlaments.´(Quelle: Lohmar, Ulrich, ebd. S. 155 f.) Die Fraktionshierarchien verteilen die konkreten Chancen für die einzelnen Abgeordneten, an der Gesetzgebung, der Willensbildung und der Kontrolle der Regierung beteiligt zu werden – soweit diese Aufgaben tatsächlich von den Fraktionen wahrgenommen werden. Die eingrenzenden Wegmarkierungen durch die Nominierung und die Rückkoppelung der Abgeordneten mit der örtlichen bzw. regionalen Parteibasis werden auf diese Weise ergänzt durch den ihnen eingeräumten Spielraum von Seiten der Fraktionshierarchie. WOLLEN SIE DIE BESCHRÄNKUNG DURCH DIE FRAKTIONSHIERARCHIE ÜBERWINDEN, HABEN SIE NUR DIE MÖGLICHKEIT, SELBST IN DIESE HIERARCHIE AUFZUSTEIGEN. KÖNNEN ODER WOLLEN SIE DAS NICHT, BLEIBT IHNEN LEDIGLICH DIE FACHLICHE MITARBEIT IN DEN AUSSCHÜSSEN UND DIE BETEILIGUNG AN DEN DEBATTEN DER EIGENEN FRAKTION.´ (Lohmar, Ulrich, ebd.) “

[EINWURF — Anmerkung des Verfassers: Mit anderen Worten, es ist unmöglich die Hierarchie zu brechen und in die bestehende Hierarchie gegen deren Willen aufzusteigen. Das heißt: Es sind perfekte Strukturen für eine bestehende Verschwörung bzw. die Gesetze von Mafiastrukturen , die Existenz von geheimer Vetternwirtschaft gegeben]

Lohmar bringt weiter den ganzen Betrug des fassadendemokratischen Systems einer simulierten Abstimmung von unten nach oben, die in Wahrheit durch von oben nach unten vorgegebenes Abstimmungsverhalten determiniert und von vornherein festgezurrt ist, wie folgt auf den Punkt:

DIE NICHTTRANSPARENZ DER FRAKTIONEN UND IHRE HIERARCHISCHE STRUKTURIERUNG – BEI DEN REGIERUNGSFRAKTIONEN NOCH VERSTÄRKT DURCH DIE FUNKTION EINER PARLAMENTARISCHEN SCHUTZTRUPPE FÜR DEN BUNDESKANZLER UND DAS KABINETT – ENGEN AUFS GANZE DER MEINUNGSBILDUNG IM BUNDESTAG GESEHEN, DEN TATSÄCHLICHEN MEINUNGS- UND ENTSCHEIDUNGSSPIELRAUM FÜR DEN EINZELNEN ABGEORDNETEN BETRÄCHTLICH EIN. Neben den Parteipräsidien und dem Kabinett sind die engeren Fraktionsführungen die dritte oligarchische Spitze im Machtgefüge der Parteien, des Parlaments und der Regierung. Diese OLIGARCHIEN sind in begrenztem Maße für Aufsteiger von unten offen, aber durch die kollektive und individuelle Einwirkung von Seiten der Abgeordneten normalerweise politisch NICHT zu steuern.” Quelle: Lohmar, Ulrich, ebd. S. 157)

D.h. die gruppendynamischen Zwänge im real existierenden demokratischen Betrieb werden dadurch ausgefüll und noch verschärft, dass bereits bestehende Hierarchien die Leitlinien der Politik vorgeben. Aufsteiger mit Blinder Folgsamkeit, Erpressbarkeit oder Gehorsamstreue, Karrieregeilheit, Charakterschwäche, Opportunismus, Gewissenlosigkeit, Brutalität und Amoral können durch solche hierarchischen Strukturen der Oligarchie leicht wie am Fließband produziert und für den Politbetrieb (vor-)selektierend ausgewählt werden. Erschwert wird eine wahre Demokratie des Diskurses und der Abstimmung von unten noch durch die immense Macht einer Kartellmedienpresse, die bestimmt, wer als beliebter Politiker an der Spitze der Parteien und Fraktionen steht und ohne zu Fall bringende Skandale und Rufmord-Kampagnen bleiben darf, ein markantes, da medial leicht verfügbasres Beispiel: Rufmord-Kampagne der Kartellmedienpresse gegen Altbundespräsident Christian Wulff, weil er sich 2011 durch eine Aussage gegen das Bankenkartell gestellt hatte; weiterhin hatte er den Denokratieabbau und genau das beim Namen genannt, was Gegenstand dieses Artikels ist: Die Fassadendemokratie durch geheime Gremien, Gruppenzwänge und nicht legitimierte Hierarchien, Zitat wikipedia “Christian Wulff”: “

Kritik am Demokratieabbau

In einem Interview im Juni 2011[63] kritisierte Wulff im Zusammenhang mit der Eurokrise und dem ESM das Tempo und die Art und Weise der politischen Entscheidungsfindung, die oft am Parlament vorbei gehe. „Dort finden die großen Debatten nicht mit ergebnisoffenem Ausgang statt, sondern es wird unter einigen wenigen etwas vereinbart und durch Kommissionen neben dem Parlament vorentschieden.“[64] Stattdessen hafte die Politik zu sehr den Interessen der Banken und der Stimmung in den Medien an. „Sie darf sich nicht abhängig fühlen und sich am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien.“[65]

Jeder, der also die Wahrheit sagt, wird durch die Kartelle und ihr Medien-Syndikat also mundtot gemacht und es wird politisch dafür gesorgt, dass er zurück tritt. In was für einem mafiösen Verbrecher-Syndikat globalen Ausmaßes leben wir eigentlich? Auch hier darf man nicht vergessen, dass das System den sog. Limited Hang Out, als funktionalen Manipulations- und Gestaltungsmechanismus in seine Täuschungsmatrix einbaut. Der Limited Hang Out bezeichnet das Prinzip der begrenzten Offenlegung, dass das System also selbst kontrolliert dafür sorgt, ob und wie seine Lügen- und Verschörungsstrukturen (zB auch über Entertainment und Hollywood) offengelegt und bewusst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ob und wie wirklichkeitsgetreu oder verzerrt entscheidet dabei kontrolliert das Schatten-System der Macht und vollzieht dies über sein Medienkartell.

Somit bestimmen die Kartelle, wer in den gruppendynamischen Hierarchien letztlich das Sagen hat. Diese Art der Fassadendemokratie ist eine galante Erfindung, um die eigentlichen Machtverhältnisse zu verschleiern und die wahren Zentren der Macht hinter einer parlamentarischen Fassade eigentlich machtloser und im Gruppenzwang fest eingebundener Abgeordneter untergehen zu lassen. Im Grunde ist die Wahl bzw. Nichtwahl des Abgeordenten daher nur eine Simulation demokratischer Teilhabe und verdeckt das Fehlen eines wirklich durch Diskurs und Einzelteilhabe zustande gekommenen Abstimmungsergebnisses von unten nach oben fernab der Korrumpierbarkeit von den Seilschaften der Finanzoligarchie, die ihre nicht wählbaren oder abwählbaren Netzwerke um den Parlamentarismus gesponnen haben und in die jeder Abgeordnete hinein tritt, wenn er gewählt worden ist. In Wirklichkeit wird das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten von oben nach unten über diesen Gruppenzwang der Fraktionen und die Hierarchie festen, medial getriggerten Personals der Parteien vorgegeben. Verstärkt wird der faschistoid-verkappte antidemokratische Charkater und wahre Wesenzug unserer Fassadendemokratie noch dadurch, dass wir nur aus einem sozialdarwinistisch ellenbogengesellschaftlich hochgekommenem Personal auswählen dürfen, das uns von den bereits bestehenden Hierarchien der Parteien- und Fraktionsspitzen vorgeben wurde. Denn die Parteikader bestimmen immer ihre Nachfolger und wer zur Wahl aufgestellt wird und die nötigen Mehrheiten als “Wunschkandidat” erhält. Somit haben wir ein versteckt hierarchisch-autoritäres System, das versteckt von oben nach unten die Leitlinien der Entscheidungen, ob und über was wie abgestimmt wird, vorgibt.

Mit anderen Worten: Die festen, weder abwählbaren noch wählbaren Hierarchiebesetzungen in den Fraktionsspitzen verhindern genau das, was als demokartisches Prinzip, Teilhabe an den Entscheidungen von unten nach oben bezeichnet werden darf. Dieses wird quasi durch das Zusammenwirken der Hierachichischen Dynamik mit der Gruppendynamik sowie den funktional vorgegebenen Rollenverteilungen komplett unterlaufen. Zurecht kann man daher von einem echte Demokratie simulierten und vorspiegelnden Theaterstück, einer inszenierten Demokratie spechen. Dieses Theaterstück wird entscheidend durch die wiederum in den Händen einer kleiner Hierachischen Minderheit liegende Kartell- und Leitpresse, den superreichen Finanzoligarchen und Fondbesitzern und Anteilseigner und damit BIG MONEY bestimmtz. Wir haben also eine undemokratische , hierarchisch-diktatorische Fassadendemokratie! Dies ergibt die klare Analyse, wenn man ins tatsächliche Detail der Wirklichkeitsabläufe geht und den Polit-Alltag seziert. Die Rahmenvorschriften des Grundgesetzes bilden somit am Beispiel von Artikel 38 das Gegenteil dessen ab, was aals operative politische Wirklichkeit bezeichnet werden darf.

[Rainer Mausfeld: Echte Demokratie, Zitat]

Fernsehen verstärkt die gruppendynamischen Gesetze exorbitant.

Beim Buchlesen dominiert stärker die individuelle Rationalität. Beim visuellen Zuschauen sind die Anfälligkeiten höher unseres Gehirns, sich als Teil eines größeren Gruppe von Zuschauern zu begreifen und wahrzunehmen und sodann als Folge, die bekannten Gruppendynamiken zu aktivieren (siehe auch der Artikel „Videomanipulativität – ….“) und mit all ihren verblödenden irrationalen Zwangsfreisetzungen des Gruppenzwangs zu entfesseln.

Aber wie kommt es, dass Menschen sich völlig anders verhalten, wenn sie in einer Gruppe aufgehen und als Teil dieser Gruppe agieren bzw. durch Weisungen und Erwartungen von Teilen dieser Gruppe unter Druck gesetzt sind bzw. es sogar freiwillig tun?

Wolfgang Koschnik in „Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr – Abschied von einer Illusion“ (WESTEND-Verlag 2016), S. 130ff. bringt die Antwort im Kapitel „Wenn Gremien entscheiden … kommt selten etwas Vernünftiges heraus“ auf Seiten 130 ff. prägnant und als gute Zusammenfassung auf den Punkt, was das Wesen der Gruppendynamik am Beispiel des parlamentarischen Gruppenzwangs ausmacht:

“… Da bleibt die Frage: Wie kann es kommen, dass aus den Beratungen vieler vernünftig erscheinender Menschen über Jahre, ja Jahrzehnte hinweg, solch kollektiver Blödsinn hervorgeht, den kaum eines der beteiligten Individuen im Alleingang unterstützen oder auch nur befürworten würde?

Die Sozialpsychologie hat sich spätestens in den 1970er Jahren ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und kann heute Antworten geben. Sie werfen allerdings kein gutes Licht auf den parlamentarischen Betrieb und stellen seine Leistungsfähigkeit in Frage.

Sozialpsychologen hatten immer wieder dieses rätselhafte Phänomen beobachtet, dass Gruppenentscheidungen oft markant abwegiger und unvernünftiger als individuelle Entscheidungen sind, und dafür den Begriff „Groupthink“ oder auf Deutsch „Gruppendenken“ geprägt. Etwas flapsig spricht man mitunter auch vom „Schweinebucht-Syndrom“.

Groupthink ist die Tendenz von Gruppen zu kognitiver Gleichschaltung und zur Preisgabe der sachlichen Distanz gegenüber der Gruppe und ihren Handlungsplänen. Es bezeichnet die Neigung des Einzelnen, sich in Entscheidungssituationen dem Urteil der Gruppe zu unterwerfen, eigenes kritisches und reflektierendes Denken zu unterdrücken und Informationen von außen zu ignorieren. Den Mitgliedern ist es wichtiger, die Geschlossenheit und Solidarität der Gruppe aufrechtzuerhalten, als sich kritisch mit der objektiven Faktenlage auseinanderzusetzen.

Die Gefahr des Gruppendenkens besteht in seiner ausgeprägten Starrheit, Verbohrtheit und Irrationalität. Im Extremfall werden die gemeinsamen Denkvorstellungen der Gruppe zum Dogma erhoben, das gegen jede Vernunft eine hohe Anziehungskraft entfaltet. Die Orientierung an einem wirklichkeitsfernen Dogma kann im ungünstigsten Fall bis zum Untergang der Gruppe führen – ganz so wie die Vielzahl der Groupthink-Verirrungen die demokratischen Systeme an den Rand des Abgrunds geführt hat und womöglich auch in den Untergang führen wird.

Wenn in Gruppen eine große Vielfalt von Pro- und Kontra-Argumenten kontrovers und kritisch diskutiert und alternative Handlungsalternativen bewertet werden, können Entscheidungen in Gruppen durchaus zu vernünftigen Ergebnissen führen. Wenn aber diese Vielfalt nicht besteht, kommt es oft zu Fehlentscheidungen, die sich aus dem überzogenen Einmütigkeitsstreben ergeben.

Sarah Wagenknecht hat das sehr viel plastischer zum Ausdruck gebracht: Wenn man mehrere Monate lang als Berufspolitiker mit nichts anderem als dem Politikbetrieb beschäftigt sei, dann sei es nahezu unausweichlich, sagte sie, dass man nach und nach verblödet. Die politische Tretmühle mit ihren mannigfachen Gruppenzwängen mache es jedermann schwer, seine geistige Gesundheit gegen die verblendete Variante der Betriebsblindheit zu verteidigen.

Gruppendenken zeichnet sich unter anderem durch folgende Charakteristika aus:

  • EINMÜTIGKEITSSTREBEN: Das Verhalten der Gruppenmitglieder wird beherrscht von einem Streben nach Einmütigkeit, da sie davon ausgehen, dass die Gruppe eine Konsenslösung findet. Auch um des eigenen Selbstwertgefühls willen besteht das Bedürfnis, die eigene Position in der Gruppenentscheidung wiederzufinden. Ein schnelles Einschwenken auf den Gruppenkonsens gewährleistet dies am sichersten.
  • SELBSTÜBERSCHÄTZUNG: Die Gruppe baut die Illusion ihrer eigenen Unverwundbarkeit auf und zeigt einen völlig übertriebenen Optimismus (“Wir schaffen das.”, “Wir können eigentlich nichts falsch machen.”, “Wir haben keine Probleme, nur Herausforderungen!”). Hinzu kommt oft ein bedingungsloser Glaube an die moralische Integrität der eigenen Position (“Wir sind die Guten.”, “Wir wollen nur das Beste.”, “Das Recht steht auf unserer Seite.”).
  • ENGSTIRNIGKEIT IM DENKEN: Die Gruppe entwickelt gemeinsame Rationalisierungsmuster und stereotype Wahrnehmungen über Andersdenkende. Im Gefolge werden alle Informationen, die mit der Entscheidungstendenz der Gruppe inkompartibel sind, abgewertet, ausgeblendet oder umgedeutet. Andersdenkende werden gern auch als dumm, ignorant oder unfähig abgestempelt. Dann erübrigt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit deren Argumenten, schließlich “sind die schlecht informiert”, “verstehen die Zusammenhänge nicht” oder “teilen unsere moralisch hochstehenden Intentionen nicht”.
  • SELBSTZENSUR: Um den Entscheidungsprozess nicht zu verlängern und die Gruppenharmonie nicht zu gefährden, unterdrücken die Mitglieder einer Gruppe wider besseres Wissen jedes Gegenargument.
  • PEER-DRUCK: Äußert jemand abweichende Positionen, dann bauen andere Gruppenmitglieder rasch Druck auf. Die vorgetragenen Argumente werden abgewertet (“Erbsenzählerei”) oder das Mitglied isoliert (“Querulant”, “Nervensäge”, “ewiger Bedenkenträger”), kritische Mitglieder werden als “Dissidenten” und “Abweichler” gebrandmarkt und unter Druck gesetzt.
  • ERZEUGUNG DER ILLUSION DER EINSTIMMIGKEIT: Es wird ausgiebig betont, jeder habe seine Meinung einbringen können. Schweigen wird konsequent als Zustimmung gedeutet.
  • EINSATZ VON MEINUNGSWÄCHTERN (“mindguards”): Einzelne Gruppenmitglieder bringen Abweichler in Einzelgesprächen auf Linie oder schirmen die Gruppe gegen abweichende Informationen oder Standpunkte ab.

Oft tritt das „Groupthink“-Phänomen zusammen mit der Tendenz zum „risky shift“ (Risikoschub) auf. Risky Shift bedeutet, dass Gruppen riskantere Entscheidungen als Einzelpersonen treffen, weil die Konsequenzen einer Fehlentscheidung sich auf alle Gruppenmitglieder verteilen. Kein Einzelner ist individuell verantwortlich. Je größer also ein Parlament ist, desto mehr verschwindet die Verantwortung des Einzelnen in der Masse. Bedenken fallen der Gruppenstimmung zum Opfer und werden nicht mehr geäußert. Wer fürchtet, von der Gruppe als Abweichler oder als Nervensäge gebrandmarkt zu werden, schweigt lieber, während risikobereitere Gruppenmitglieder oft extravertiert ihre Meinung vertreten und so großen Einfluss ausüben. Die leisen, defensiven Stimmen werden möglicherweise überhört.

Nach Irving L. Janis hat das Groupthink Syndrom acht Symptome, die sich in drei Gruppen einteilen lassen:

(A) Überschätzung der Macht und Moral der Gruppe:

1. Illusion der Unverwundbarkeit bei allen oder den meisten Gruppenmitgliedern. Sie führt zu maßlosem Optimismus und verleitet dazu, extreme Risiken einzugehen.

2. Glaube an die der Gruppe eigene Moral. Er führt dazu, dass man die ethischen oder moralischen Folgen seiner Entscheidungen nicht beachtet.

(B) Scheuklappendenken

3. Gemeinsame Anstrengung, die eigenen Entscheidungen zu rationalisieren, um Warnungen oder andere Informationen zu entwerten, die dazu führen könnten, dass man seine Entscheidungen nochmals überdenkt und gegebenenfalls revidiert.

4. Eine stereotype Sicht der Gegner als zu böse, um mit ihnen echte Verhandlungen zu versuchen, oder als zu schwach oder zu dumm, um den riskanten eigenen Vorgehensweisen zu begegnen.

(C) Uniformitätsdruck:

5. Selbstzensur gegen Abweichungen vom anscheinenden Gruppenkonsens. Die einzelnen Gruppenmitglieder halten deshalb Bedenken oder Einwände zurück.

6. Illusion der Einmütigkeit.

7. Druck auf Gruppenmitglieder, die Einwände vorbringen gegen Stereotype, Illusionen und Engagements der Gruppe. Widerspruch wird als Illoyalität gebrandmarkt.

8. Auftreten von selbsternannten Zensoren, die die Gruppe abschirmen gegen Informationen und Meinungen, die die Gruppe in ihrer Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit erschüttern könnten.

Groupthink führt dazu, dass man

  • Alternativen nur höchst unzureichend erarbeitet;
  • mögliche Zielsetzungen nur unzureichend erarbeitet;
  • die Risiken der gefällten Entscheidung mangelhaft überlegt;
  • einmal verworfene Alternativen nicht mehr in Betracht zieht;
  • sehr mangelhaft Informationen sammelt;
  • Informationen tendenziös auswertet;
  • keine Vorkehrungen für etwaige Hindernisse, Rückschläge oder Versagen trifft.

Quelle: Janis, Irving L. (1982): Groupthink: psychological studies of policy decisions and fiascos. 2. Auflage. Boston, S. 174. Titel der 1. Auflage: Victims of groupthink. A psychological study of foreign-policy decisions and fiascos (1972)“

(c) genauerblick.com // Im Übrigen: Zusammenstellung der Zitate, übrige Texte und die Artikelidee von Matthias Krieger, Leipzig

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